Pazz @ Berlinale 2022

Pazz @ Berlinale 2022

Die 72. Berlinale glänzt ein bisschen weniger, als ihre pandemiefreien Vorgänger. Die Stars kommen vereinzelt über den roten Teppich und tragen Maske, Unterschriften geben ist kaum möglich, über die doppelte Absperrung zu den Fans hinweg. Aber man darf nicht jammern, denn die 71. Berlinale war online mit nachgeholter Preisverleihung im Sommer. Jetzt kommt immerhin das Publikum zurück, dass sich am Eröffnungsabend am roten Teppich sammelt. Am Ende geht es natürlich auch um die bekannten Gesichter der großen Leinwand, aber, und so gehört es sich auf einem Filmfestival, vor allem um die Menschen, die die 256 Filme gemacht haben, die als Kurzfilm, Dokumentation, Spielfilm gezeigt werden. 

"Ich glaube, das ist ein ganz wichtiges Signal, dass wir uns von Corona nicht unterkriegen lassen, sondern dass wir das Kino brauchen und dass wir die Kultur brauchen", sagt Kulturstaatsministerin Claudia Roth in ihrer Eröffnungsrede am Donnerstagabend, 10.02.22, im Berlinale Palast am Potsdamer Platz. Kunst und Kultur seien Grundnahrungsmittel in unserer Demokratie.

18 Filme aus 15 Ländern laufen dieses Jahr im Wettbewerb um den silbernen und goldenen Bären, 17 davon als Weltpremiere auf der Berlinale, bei 7 haben Frauen Regie geführt. Die internationale Jury um Jurypräsident M. Night Shyamalan, dem Regisseur von Blockbustern wie The Sixth Sense (1999), The Village - Das Dorf (2004) und auch Glass (2019) vergibt die Preise in den Kategorien:

- Goldener Bär für den Besten Film (an die Produzent*innen): “Alcarràs” von Carla Simón

- Silberner Bär Großer Preis der Jury: „So-Seol-Ga-Ui Yeong-Hwa“ (Der Film der Schriftstellerin) von Hong Sangsoo

- Silberner Bär Preis der Jury:Silberner Preis der Jury: „Robe of Gems“ von Natalia López Gallardo

- Silberner Bär für die Beste Regie: Claire Denis für „Avec Amour et Acharnement“ (Mit Liebe und Unerbittlichkeit)

- Silberner Bär für die Beste Schauspielerische Leistung in einer Hauptrolle: Meltem Kaptan in „Rabiye Kurnaz gegen George W. Bush”

- Silberner Bär für die Beste Schauspielerische Leistung in einer Nebenrolle: Laura Basuki in „Nana“

- Silberner Bär für das Beste Drehbuch: Laila Stieler für „Rabiye Kurnaz gegen George W. Bush“

- Silberner Bär für eine Herausragende Künstlerische Leistung: Rithy Panh und Sarit Mang für das Szenenbild zu „Everything will be OK“

Außerdem gibt es Sonderpreise in den Sektionen.

- Bester Film Encounters: „Mutzenbacher“ von Ruth Beckermann

- Beste Regie Encounters: Cyril Schäublin für „Unrueh“ („Unruhe“)

- Spezialpreis der Encounters-Jury: „A vendredi, Robinson“ von Mitra Farahani

- Beste Dokumentation: „Myanmar Diaries“ von dem Myanmar-Film-Kollektiv

- Bester Erstling: „Sonne“ von Kurdwin Ayub

- Goldener Bär bester Kurzfilm: „Trap“ von Anastasia Veber

- Preis der Kurzfilm-Jury: „Manhã de Domingo“ von Bruno Ribeiro

 
PAZZ Gespräche: Durch das Ausfallen oder Online-Stattfinden von Partys, Empfängen und Get Togethers fehlt ein großer Baustein eines Filmfestivals: Das Networking. Viele Filmschaffende aus aller Welt sind extra angereist, nur um nach den Vorstellungen alleine einen Kaffee im Kinovorraum zu trinken. Eine davon ist Gana Comagic aus Montenegro. Sie wollte ihre Produktionsfirma “Evil Ideas” vorstellen und Filmemacher aus der ganzen Welt begeistern, auch im Westbalkan ihre Filme für Festivals einzureichen. Dort baut sich gerade eine Szene auf und junge Filme von jungen Filmemachern sind gefragt wie nie. Einreichen lohnt sich, gespielt wird fast alles, sagt Gana. Vielleicht nicht das, was wir gerade gesehen haben, den Kurzfilm Mars Exalté von Jean-Sébastian Chavin aus Frankreich. 18 Minuten lang sieht man abwechselnd Eindrücke des Stadtverkehrs und einen nackten Schlafenden, bis er im Schlaf zum Höhepunkt kommt und die Kamera den exakten Ablauf metergroß auf der Leinwand festhält. Sowas nicht, alles andere kann gerne eingereicht werden, sagt Gana. @evilideasoffical und @ganacomagic findet ihr auf Instagram. 

 
PAZZ Festivaltipp: Auch Festivalmacher haben es schwerer dieses Jahr. Am Rande der Kurzfilme erzählen die Macher des Open Air Filmfest Weiterstadt von ihrer Suche nach jungen Filmemachern, die auf dem Festival präsentieren wollen. Vom 11. - 15. August werden zum 46. Mal Kinder-, Jugend- und Erwachsenen-Filme bis zu einer Stunde Laufzeit, auf einer großen Open Air Leinwand und in einem Zirkuszelt gezeigt. Ganz Festival-Like übernachten alle Filmemacher auf dem Campingplatz nebenan, die Leinwand immer im Blick. Vernetzen fällt hier leicht - deutlich leichter als auf der Berlinale 2022.

Wieso nicht nach den Sternen greifen? Der Pazz-Tipp für alle, die ihren Film auch gerne auf der Berlinale laufen sehen wollen: Einreichen. Am Montagabend lief zum Beispiel die Premiere des Kurzfilms “Blaues Rauschen”, eine Produktion der Filmakademie Baden-Württemberg. Man muss kein Star-Regisseur sein um hier Anklang zu finden - man muss nur die Vorgaben für die Filmanmeldung beachten und die vielen filmbegeisterten Menschen berühren, die es Jahr für Jahr wieder nach Berlin zieht.